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Themen   Tierschutz in der Verfassung

Tierschutz in der Verfassung

Am 17.05.2002 hat der Bundestag beschlossen, den Tierschutz zum Staatsziel zu erklären und Art. 20 a GG, der den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gewährleisten soll, um die Worte "und den Tieren" zu erweitern.

Nachdem viele Bundesländer diesen Passus schon längst in ihre Verfassungen aufgenommen haben, folgt nun auch die Bundesregierung. Seit 1994 scheiterten mehrere Versuche, den Tierschutz im Grundgesetz zu verankern. Entweder wurde die für eine Grundgesetzänderung erforderliche 2/3-Mehrheit nicht erreicht, oder die Beratungen darüber wurden erst gar nicht abgeschlossen. Die einen Gegner dieser Neuerung führten an, dass das Tierschutzgesetz bereits ausreichend sei. Die anderen meinten, dass Art. 20 a GG die Tiere schon mit einschließe. Letzteres Argument wurde allerdings durch das Bundesverwaltungsgericht 1997 entkräftet.

Was bedeutet unser Tierschutzgesetz für die Tiere?

Zuerst einmal sei darauf hingewiesen, daß unser derzeitiges Tierschutzgesetz vielmehr ein Tier"nutz"gesetz darstellt. Erstens weil es in der Praxis oftmals aufgrund des fehlenden Verfassungsranges ausgehebelt wird. Der zweite, fast wichtigere Grund ist, daß die Formulierungen sehr vage sind. So enthält §1 TierSCHG den Satz, daß niemand "einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen" darf.

Wer definiert hier den "vernünftigen Grund"? Ist ein kurzer Gaumenkitzel vernünftig? Ist die Pelz-, Wolle- oder Seidenherstellung vernünftig? Ist ein wenig Spaß im Zoo oder Zirkus vernünftig? Ist Jagd vernünftig?

Ist nicht vielmehr das vernünftig, was nicht umgangen werden kann, um selbst leben zu können? Wir müssen kein Fleisch essen und haben dadurch keine gesundheitlichen Nachteile, genauso wenig sind wir auf tierliche Produkte für unsere Kleidung angewiesen oder auf Tierausbeutung in unserer Freizeit.

Welche Auswirkungen hat nun der neue Verfassungsrang des Tierschutzes auf das Leiden der nichtmenschlichen Tiere?

Keineswegs bedeutet die Verankerung im Grundgesetz, daß in Zukunft alle tierquälerischen Handlungen sofort gesetzlich untersagt werden. Vielmehr verhilft die Änderung dem Tierschutzgesetz überhaupt erst zu wirklicher rechtlicher Gültigkeit. Bisher konnten viele Bereiche des Tierschutzgesetzes faktisch nicht umgesetzt werden, da durch die Anwendung dieses Gesetzes die Grundrechte einzelner Menschen beschnitten worden wären. Das einfachgesetzliche und somit schwächere Tierschutzgesetz hatte wenig Chancen, gegen ein durch die Verfassung gewährleistetes Recht zu bestehen. Durch die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel treffen diese Grundrechte nunmehr auf ein Recht von gleichem Rang, somit auf einen gleichwertigen Gegner. Das Tierschutzgesetz hat also dadurch eine Stärkung erfahren.

In der Vergangenheit wurden Klagen gegen Tierschutzverstöße hauptsächlich durch die Kollision mit folgenden Grundrechten abgelehnt: das Grundrecht der Glaubensfreiheit (Religionsausübung Art. 4 Abs. 2 GG) sowie die Freiheit der Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre(Art. 5 Abs. 3 GG).

Die Freiheit der Kunst
Sogenannten KünstlerInnen war es bisher uneingeschränkt erlaubt, Tiere für "künstlerische" Darbietungen zu quälen und auch zu töten. In Zukunft werden die "KünstlerInnen" hoffentlich durch erneute Klagen sehr viel weniger Möglichkeiten dazu haben.

Die Freiheit der Religion
Das jüngst verhängte Urteil, welches das Schächten in Deutschland erlaubt, wird hoffentlich bald wieder seine Gültigkeit verlieren.

Die Freiheit der Lehre
Bisher durfte ein Lehrender an Schulen oder Universitäten selbst entscheiden, ob seine Tierversuche notwendig für die Aubildung sind oder nicht. In Zukunft wird dieser Sachverhalt hoffentlich endlich durch objektive Gutachten geklärt werden können. Damit würde das Tierschutzgesetz endlich angewendet werden; denn dieses untersagt die Durchführung von Tierversuchen im Rahmen der Ausbildung, für die es bereits gleichwertige Alternativen gibt.

Die Freiheit der Forschung
Solange der Tierschutz keinen Verfassungsrang hatte, wurde jeder Tierversuch genehmigt, wie sinnlos und grausam für die Tiere er auch sein mochte. Nur der Tierexperimentator konnte über Sinn oder Sinnlosigkeit, Notwendigkeit oder Tierquälerei entscheiden.

In Zukunft werden also Klagen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz wesentlich aussichtsreicher sein.

Es bleibt allerdings anzumerken, dass, bei zwei miteinander kollidierenden Grundrechten, letztlich eine Abwägung durch die angerufenen Gerichte erfolgt. Wie diese Entscheidung schließlich ausfallen wird, bleibt abzuwarten und wird sich stets an dem zu entscheidenden Einzelfall orientieren. Man kann nur hoffen, dass die Richterinnen und Richter ihre Verantwortung gegenüber den Tieren ernst nehmen werden. Tiere haben leider nicht selbst die Möglichkeit, ihre Rechte einzuklagen und auf ihre Leiden und Schmerzen öffentlich hinzuweisen.

Vielleicht wird die Verankerung im Grundgesetz auch zur Folge haben, daß allgemein bei Gericht Tierschutzbelange stärkere Beachtung finden werden und somit auch Fragen bezüglich "Massentierhaltung", Tiertransporten, "Pelztierfarmen", Zirkusbetrieben und Zoos etc. für die Tiere positiver entschieden werden. Auch Kosmetikfirmen, die trotz jahrelanger kritischer Debatte noch immer Tierversuche durchführen, werden nunmehr verstärkt ihr Anliegen vor Gerichten vertreten und dadurch ihre Praktiken offen legen müssen.

Was wird sich in der Gesellschaft ändern?

Unsere Gesellschaft basiert auf einer Ausbeutung von nichtmenschlichen Tieren in allen Lebensbereichen. Obwohl sich viele Menschen gegen Tierquälerei aussprechen und ein Großteil der Bevölkerung für eine grundgesetzliche Verankerung des Tierschutzes plädierte, ist dieses Faktum den wenigsten Menschen bewußt. Jede und jeder einzelne kann durch ihr/sein Konsumverhalten einen Großteil des Tierleids verhindern. Quantitativ leiden und sterben die meisten Tiere für unserer Ernährung. Allein in Deutschland sind es täglich z.B. 110.000 Schweine und 16.000 Rinder, die für unseren kurzen Gaumenkitzel getötet werden. Bisher klammern die meisten Menschen nichtmenschliche Tiere aus ihren Moralvorstellungen aus. Die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz kann ein erster Schritt sein, den Menschen zu verdeutlichen, daß Tiere keine dem Menschen zur Verfügung stehende Ware sind, sondern leidende und fühlende Lebewesen.

Die Arbeit von ReACT! e.V.

Der größte Teil unserer Arbeit besteht in der Information der Bevölkerung über die Zusammenhänge zwischen dem Tierleid und ihrem eigenen Konsumverhalten.

Bezüglich der Neuerung in der Verfassung werden wir vor allem vermehrt Aktionen gegen Tierversuche in der Region (Universitäten Heidelberg und Mannheim) durchführen. Nachdem nun zukünftig nicht mehr allein die ForscherInnen über ihre Experimente entscheiden dürfen, werden wohl wesentlich weniger Tierversuche genehmigt werden. Wichtig ist, daß die Bevölkerung darüber aufgeklärt wird, daß die jeweils zuständigen Länderbehörden viele Tierversuche bisher aus ethischen Bedenken ablehnten. Durch die bisher vorhandene Gesetzeslücke wurde aber diese Ablehnung durch die Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht außer Kraft gesetzt. Das bedeutet, daß die TierexperimentatorInnen nicht -wie sie immer behaupten- ausschließlich ethisch vertretbare und notwendige Tierversuche durchführen, sondern vielmehr viele Studien aus eigenen Interessen verfolgen. Meist sind dies wirtschaftliche Belange oder das Karrierestreben.

Gemeinsam mit anderen Tierrechts- und Tierschutzorganisationen werden wir am 15./16. Juni ab 13:00 Uhr (Start Bismarckplatz) eine internationale Demonstration gegen Tierversuche und die Aufzuchtsstation von Versuchstieren "Kirchheimer Mühle" bei Leimen durchführen. Eine nächtliche Mahnwache vor der "Kirchheimer Mühle" wird abgehalten, um auf das Leiden der dort gezüchteten Tiere aufmerksam zu machen.

Bisher ist das Studium der Humanmedizin in Heidelberg nicht möglich, ohne während der Ausbildung Tierversuche durchzuführen. Die Heidelberger MedizinstudentInnen müssen darüber informiert werden, daß ihre Klagen gegen diesen Zustand nun dank der Gesetzesänderung größere Aussichten auf Erfolg haben werden. In Deutschland informiert der Verein SATIS, Studentische Arbeitsgemeinschaft gegen Tierversuche im Studium, StudentInnen der Biologie, Human- und Tiermedizin über ihre Rechte und Möglichkeiten.

Besonders wichtig ist für uns, der Bevölkerung zu verdeutlichen, dass Tierschutz nicht alleine durch die Aufnahme in das Grundgesetz erfolgen kann. Vielmehr muß jeder Mensch in seinem alltäglichen Leben darauf achten, Tiere als fühlende Wesen zu begreifen und sie und ihre "Produkte" im Speiseplan ersetzen. Durch das eigene Konsumverhalten (z.B. indem man zu tierversuchsfreier Kosmetik greift) kann man Unternehmen am nachhaltigsten zeigen, daß man das Leid der Tiere nicht hinnehmen oder gar unterstützen und fördern wird.

Es bleibt zu hoffen, dass die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung nicht der letzte Schritt in Richtung eines verantwortungsvollen Umgangs und eines friedlichen und gewaltfreien Zusammenlebens zwischen Menschen, Tieren und der Natur ist.

Inga Berg und Kathrin Frank, ReACT! e.V.




 
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