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Themen Zirkus Zirkus Fliegenpilz
Zirkus Fliegenpilz
ReACT! e.V. führte im Sommer 2000 eine Reihe von Demonstrationen gegen den Zirkus Fliegenpilz durch. Dieser reagierte auf unsere Proteste vor dem Zirkusbetrieb mit einem "Informationsblatt", das von Zirkusmitarbeitern vor der Vorstellung verteilt wurde. Wir verfassten eine "Gegendarstellung", die wir dann -zusätzlich zu unserem allgemeinen Zirkusflugblatt- verteilten. Da wir einige Pressemitteilungen schrieben, bekamen wir die Gelegenheit mit dem Zirkusdirektor Bodo Hölscher live bei dem Radiosender Radio Regenbogen zu diskutieren (am 18.08.00). Leider war der Moderator sehr parteiisch und stellte entsprechende Fragen. Dennoch konnte ein größeres Publikum auf die Problematik der Tierhaltung im Zirkus aufmerksam gemacht werden. Im folgenden die Argumente des Zirkus Fliegenpilz und unsere Gegendarstellung:
"Tiere gehören seit jeher zum Zirkus (...). An dieser Tradition hält der Zirkus Fliegenpilz fest."
Viele Traditionen begründen sich auf Unrecht und wurden deshalb abgeschafft. Eine lange Geschichte bedeutet keine Rechtfertigung für ein weiteres Bestehen. Ansonsten wären z.B. auch Krieg, Sklaverei und Vergewaltigung legitim.
Fliegenpilz unterhält den "wohl artenreichsten rollenden Zoo Europas"/ "39 verschiedene Arten haben im Circus Fliegenpilz ihr zu Hause"
Das ist kein Grund stolz zu sein. Unter den Arten des Zirkus Fliegenpilz sind zum Beispiel ein Zwergflusspferd und Seelöwen zu finden. Von der Haltung dieser Arten im Zirkus wird in einigen Gutachten, z.B. in einem Gutachten der hessischen Tierschutzbeauftragten, besonders abgeraten.
Es sind "ausschließlich Haustiere und Zoo-Nachzuchten, die den Zirkus-Zoo bevölkern"
Auch das Zwergflusspferd des Zirkus Fliegenpilz ist eine sogenannte Zoo-Nachzucht; dennoch hat es alle genetischen Anlagen seiner in Freiheit lebenden Artgenossen. Diese sind Einzelgänger, die semiaquatisch (an Land und im Wasser) leben, vor allem in Sumpfgebieten und die sich bei Gefahr ins dichte Dickicht zurückziehen. Hierzu hat das Zwergflusspferd des Fliegenpilz keine Gelegenheit. Seelöwen z.B. sind äußerst gute Schwimmer und auch die "Zoo-Nachzuchten" haben natürlich den entsprechenden Körperbau und Bewegungsdrang. Diesen können sie in ihren Wasserbecken im Zirkus nie ausleben.
Die "Tierhaltung" unterliegt "einer ständigen Kontrolle. (...) Die örtliche Veterinärbehörde überprüft die Einhaltung der vorgeschriebenen Haltebedingungen."
Den Untersuchungen durch die Veterinärbehörden liegen die sogenannten "Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben" zugrunde. Diese sind nicht rechtsverbindlich, sondern enthalten nur Empfehlungen. Sie wurden aufgestellt von einer Kommission, die vor allem aus Vertretern von Zirkus- und Zoobetrieben sowie Veterinärmedizinern bestand, also aus Personen, die finanzielle Interessen an der Tierausbeutung haben. Dementsprechend enthalten die Leitlinien auch nur absolute Minimalanforderungen an die Gehegefläche. Das sogenannte Säugetiergutachten, das für Tiere gilt, die mit dem Zirkus mitgeführt werden, aber nicht in der Manege auftreten, gesteht den Tieren zwar mehr Platz zu, aber gegenüber ihrem Leben in freier Natur ist er verschwindend gering. Das bedeutet, dass die Aussage der Veterinärämter, dass die Tierhaltung den tierschutzrechtlichen Bestimmungen entspricht, nicht ausdrückt, dass die Tiere artgerecht gehalten werden.
"Dem Publikum vermittelt der Besuch der Tierschau (...) allerlei Wissenswertes über die verschiedenen Tierarten"
Das, was in Zirkusbetrieben und Zoos vermittelt wird, ist lediglich, wie sich Tiere in der Gefangenschaft anpassen. Die natürlichen Verhaltensweisen können vom Publikum nicht gesehen werden, da die Tiere fernab ihrer natürlichen Umgebung gehalten werden. Z.B. sehen wir beim Leoparden des Zirkus Fliegenpilz wie er einige Zeit vor seiner Fütterung auf und ab geht. In der Natur jagt er natürlich seine Beute und muß nicht auf sein Essen warten. Was vermittelt uns nun das Hin- und Herlaufen des Leoparden?
"Für Abwechslung sorgt ein stetig wechselndes Umfeld und eine Fülle von Reizen"
Wenn die Tiere in Gefangenschaft Abwechslung brauchen, was ist dann mit den Zootieren? Die Wahrheit ist, dass Zoo- und Zirkustiere immer leiden, da ihnen ihre artgerechten und angeborenen Verhaltensweisen nicht ermöglicht werden können. Natürlich können sich Tiere an Situationen wie die im Zirkus anpassen, aber diese Anpassungsleistung sagt nicht aus, dass den Tieren ihr artgerechtes Umfeld nicht fehlt. Ein stetig wechselndes Umfeld kann gerade für scheue Tiere ein großes Problem sein.
"Tiergerechte" Dressur ist "gesund" für Tiere
Hierbei bezieht sich der Zirkus Fliegenpilz auf "Studien im Circus", die von Heini Hediger, dem "Begründer der modernen Tiergartenbiologie", vor "über 50 Jahren" durchgeführt wurden.
Zuerst einmal stellt sich die Frage, was ist überhaupt eine "tiergerechte" Dressur? Der Zirkus Fliegenpilz rühmt sich, die sogenannte "humane Tierdressur" mit "sanften Methoden" zu benutzen. Fakt ist, dass diese sogenannte sanfte Dressur nichts als eine Wortverdreherei ist. "Dompteure" werden zu "Tierlehrern", "Dressur" zur "Edukation". Doch wer ein Wildtier dazu bringen möchte, das zu tun, was von ihm verlangt wird, muß seinen Willen brechen. Der Zirkus Fliegenpilz gibt vor, nur Darbietungen im Programm zu haben, die die "arttypischen und individuellen Anlagen der Tiere" berücksichtigen. In Wahrheit bedeutet dies nur, dass Nilpferde nicht zum Fliegen und Giraffen nicht zum Seilhüpfen gebracht werden. Aber es werden Verhaltensweisen vorgeführt, zu denen die Tiere sonst nur in Extremsituationen fähig sind, so z.B. in großer Angst. Pferde zum Beispiel sind Fluchttiere, die lieber Kilometer laufen, als über ein Hindernis zu springen.
In diesem Kontext ist die zitierte These des Verhaltensbiologen Dr. Birmelin purer Zynismus: "In freier Wildbahn lebende Tiere reagieren lediglich in einem Maße, wie es ihre Umwelteinflüsse erfordern. Dabei verfügen sie von Natur aus über weitaus größere Fähigkeiten. Tiere, die durch Dressur geistig angeregt und gefordert würden, wiesen nachweislich bessere Lern- und Denkleistungen auf, als ihre wild lebenden Artgenossen."
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